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Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapie

Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm aber er bricht nicht

Anmerkungen zur Verhaltenstherapie

Zen-Garten:
Achtsamkeit in der Verhaltenstherapie bedeutet Exposition mit Reaktionsverhinderung

Früher als abstruse Kuriosität von weißlivrierten und tropenhelmbeschwerten Herren belächelt, erkannte man in den letzten Jahren in der Verhaltenstherapie zunehmend, wie sehr die fernöstlichen Ansätze der Achtsamkeit mit zentralen Wirkprinzipien der Verhaltenstherapie übereinstimmen: So entspricht ein achtsamkeitsbasierter Ansatz im Prinzip einer emotionalen Exposition mit Reaktionsverhinderung. Dies gilt auch für körperliche Schmerzen (die auch durch psychosoziale Stressoren aufrechterhalten oder gar verstärkt werden). Das Gute daran ist, dass unser Verhalten und Erleben – sei es nun funktional oder dysfunktional – zu einem beträchtlichen Anteil erlernt und somit grundsätzlich immer auch durch den Erwerb neuer Lernerfahrungen veränderbar ist.

Schmerzhafte Affekte sind regulierbar – nicht nur als Fakir auf dem Nagelbrett

Theoretische Hintergründe und Wirkprinzipien 

Bei genauerer Betrachtung stellt sich der eingangs erwähnte Sachverhalt (jedes Verhalten ist erlern- und auch wieder verlernbar) allerdings komplexer dar, als es zunächst den Anschein hat, verhält es sich doch so, dass viele wichtige Lernprozesse völlig bewusstseinsfern verlaufen aber dennoch feste und veränderungsresistente Strukturen schaffen, seien sie nun gut oder schlecht.

Operante Konditionierung
Ein Grundprinzip besteht darin, dass Lernen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum erfolgt, was auch „operante Konditionierung“ oder „Lernen am Erfolg“ genannt wird. Dabei verbindet sich ein bestimmtes Verhalten nach dem Gesetz des Effekts mit der nachfolgenden Erfahrung.
 
Signallernen
Das zweite wichtige Grundprinzip besagt, dass einem natürlichen, meist angeborenen, unbedingten Reflex künstlich ein neuer, bedingter Reflex hinzugefügt werden kann, der nach wiederholter Erfahrung dann ein bestimmtes Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten auch ohne den unbedingten Reflex auslösen kann, was dann „klassische Konditionierung“ oder „Signallernen“ genannt wird.
Die assoziativen Verknüpfungsprozesse der klassischen wie auch der operanten Konditionierung funktionieren gleichermaßen in einem bewußtseinsfernen Modus.

Denken In Kausalitäten
Diese im Verlauf der Evolutionsgeschichte entstandenen Gesetzmäßigkeiten boten offenbar einen bedeutsamen Überlebensvorteil, weshalb sie als evolutionäres Grundprinzip fest in den menschlichen Psychismus verankert wurden.

Die Individualentwicklung baut auf alten Entwicklungsprogrammen der stammesgeschichtlichen Vorfahren auf

So zielen alle Formen des assoziativen Lernens darauf ab, Ereignisfolgen, die miteinander verknüpft sind, von solchen zu unterscheiden, die rein zufällig und daher unwichtig sind. Das Gehirn hatte offenbar die Fähigkeit entwickelt, überlebenswichtige kausale Beziehungen in seiner Umwelt zu erkennen, die sich in miteinander korrelierenden oder verbundenen Ereignissen ausdrücken. Durch die Assoziation von aufeinander folgenden Geschehnissen entstanden allmählich feste Erwartungshaltungen und damit ein Denken in Kausalitäten.

Aufgrund der Fähigkeit, aus Assoziationen kausale Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, bildeten sich immer mehr Erfahrungsspuren in dem sich langsam organisierenden Rahmenwerk des Psychismus heraus . Auf diese Weise konnten nunmehr Ereignisse in ihrem Verlauf vorhergesehen oder zumindest besser eingeschätzt werden, womit das Verhalten sich immer optimaler an die Wirklichkeit anpassen konnte.

Funktionale und dysfunktionale Erwartungen

Trotz der dargelegten durchschnittlichen Zweckmäßigkeit assoziativer Konditionierungsprozesse bergen dieselben Gesetzmäßigkeiten des Lernens im Einzelfall aber auch immer die Gefahr von Wahrnehmungstäuschungen und Fehlanpassungen, bzw. psychischer Störungen.

Fakten entstehen in unserem Kopf

Fixiert man als Betrachter den Spiegelrahmen der vor ihrer Schminkkommode sitzenden jungen Frau, so verwandelt sich das zunächst harmlose Motiv in einen unheimlichen Totenschädel. Es ist also schon entscheidend, aus welchem Blickwinkel man auf die Welt schaut, da Erwartungen und Vorstellungen maßgeblich mit entscheiden, ob wir uns eine eher positve oder negative Welt konstruieren, auf die wir dann als die objektive Welt „da draußen“ reagieren.

Inkonsistenzen

Wie wir sehen konnten, bahnen Konditionierungsprozesse (funktionale aber auch dysfunktionale) Erwartungen im Psychismus, die dann wieder völlig bewusstseinsfern bestimmte Verhaltensbereitschaften aktivieren können.

Doch können Erwartungshaltungen nicht nur dysfunktional sein, sondern auch noch miteinander im Widerspruch stehen, resp. inkonsistent sein.

Konsistenz oder widerspruchfreies Zusammenwirken wurde unter anderem auch deshalb für die psychischen Prozesse wichtig, weil sich aus den immer vielfältiger werdenden Erwartungshaltungen schließlich differenzierte und parallel arbeitende motivationale Schemata entwickelten. Motivationale Schemata kann man sich als prototypische Lösungsversuche vorstellen, Grundbedürfnissen, die im Laufe der Zeit entstanden sind, gerecht zu werden.

Schemata

Können diese Grundbedürfnisse nicht in einer möglichst ausbalancierten Weise befriedigt werden, kommt es zu Spannungen und Konfliktdynamiken.

Konflikthaft-gegenläufige Tendenzen in den motivationalen Schemata, die sich in Reaktion auf frustrierte Grundbedürfnisse herausgebildet haben, lösen eine entsprechend hohe negativ besetzte Spannung bzw. Dissonanz im psychischen System aus, was als Stress verspürt wird. Besonders Konflikte zwischen Annäherungs- und Vermeidungsschemata (aber auch Kinder- und Erwachsenenschemata) lösen ein starkes Dissonanzempfinden in uns aus. Eine Möglichkeit der Konsistenzsicherung besteht in der Ausblendung oder Verdrängung von dissonanten Inhalten aus dem Bewusstsein.

Die Verdrängung dissonanter Wahrnehmungen und Erlebnisse bilden jedoch ebebfalls häufig den Kern psychischer Störungen, da der Ausschluss aus der bewussten Informationsverarbeitung immer mit Kontrollverlust bzw. Dissoziation psychischer Subsysteme einher geht.

Doch knüpft sich an die bisherigen Überlegungen unvermeidbar die Frage, wie dysfunktionale Lernprozesse und Konsistenzgefährdungen durch Schemakonflikte denn eigentlich rückgängig zu machen bzw. zu behandeln sind.

Von der Widerstandskraft des Lebens – Resilienztraining

Wege aus der Krise oder: Das Leben findet immer einen Weg.


Behandlungsansätze

Leiden entsteht, wenn dysfunktionale Konditionierungsprozesse uns dermaßen fest im Griff haben, dass unsere Lebensfreude stark herabgemindert wird – wie wenn wir in Angst und Kummer erstarrt wären. Aber obwohl wir oft genau spüren, wie unglücklich wir sind, können wir uns aus diesem Unglüchlich-Sein nicht mehr befreien. In der schemafokussierten Verhaltenstherapie spricht man davon, dass Menschen sich dann in einer Lebensfalle befinden, weil sie sich in ihrem Leid gefangen fühlen.

Lebensfallen

Bei diesen Lebensfallen handelt es sich um früh erworbene maladaptive Schemata, die in Reaktion auf belastende Umstände in der Kindheit entstanden sind. Schemata sind kindliche Weltentwürfe, in die alle erlittenen Mangelerfahrungen eingeflossen sind , weshalb sie maßgeblich dysfunktional sind. Diese Scheamta sind auch im Erwachsenenleben noch so in unser Identitätsgefühl eingearbeitet, dass sie aus eigener Kraft kaum zu verändern sind. Da maladaptive Schemata die Interpretationsbasis zur Verarbeitung späterer Lebenserfahrungen bilden, führen sie auch auf der Handlungsebene zu dysfunktionalen Verhaltensmustern. Ausgelöst oder aktiviert werden diese maladaptiven Schemata, wenn in der Gegenwart erlittene Frustrationen eine ausreichend hohe Ähnlichkeit mit früheren Belastungserfahrungen haben (man spricht auch von traumassoziierten Ereignissen als Scheamtrigger).

Um nun besagte maladaptive Schemata abzuschwächen und zu entmachten, müssen die Schemaprozesse in der Psychotherapie zunächst genauer erforscht werden. Handelt es sich um schemaaufrechterhaltende Prozesse, lassen sich meist kognitve Verzerrrungen erkennen, die mit Techniken der kognitiven Umtstruktukrierung bearbeitet werden können.

Von schemavermeidenden Prozessen wird gesprochen, wenn belastende Vorstellungsbilder und Gefühle zu einer aversiven Konditionierung geführt haben, so dass das eigene Erleben permanent affektphobisch vermieden, resp. weggedrückt wird. In einem solchen Fall müsste der Patient oder die Patientin zunächst einmal wieder mit haltgebenden Resscourcen ausgestattet werden, was durch Achtsamkeits- und Skillstechniken geschieht, bevor eine integrierende Affektexposition zur Anwendung kommen würde.

Schließlich gibt es noch Schemakompensationsprozesse. Dabei handelt es sich um reaktive Überkompensationen, mit dem Ziel, tiefsitzenden Minderwertigkeits- und Hilflosigkeitsgefühlen zu entkommen. Hier hilft die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen (Modi genannt), wobei abgesprengte Teilpsychen durch ein schrittweises Heranführen an das innere Erleben so miteinader integriert werden, dass Stärken und Schwächen neu ausbalanciert werden können.

Akzeptanz & Committent-Therapie

Einem neueren verhaltenstherapeutischen Ansatz zufolge, der mit dem schemafokussierten Vorgehen sehr gut zu kombinieren ist und sich ACT nennt (Abkürzung für Akzeptanz & Committment-Therapie), führen Probleme oft dazu, dass die Absicherungs- und Verteidigungsmaßnahmen wichtiger werden, als eine aktive Teilnahme am Leben. Doch verkümmert unsere Lebenskraft und -Freude ohne ein gewisses Maß an Herausforderung und Wagemut.

Bereitschaft

Schließlich erscheint uns alles nur noch bedeutungslos, wüst und leer. Damit wir aus dieser Ödnis wieder herauskommen, müssen wir uns (wieder) darauf besinnen, wie unsere Vorstellung von einem sinnvollem Leben aussieht und uns den wegedrückten Ängsten stellen. Das Besondere ist hierbei, dass keine Hilfen angeboten werden, psychischen Schmerz unter Kontrolle zu bekommen. Vielmehr wird aktiv daran gearbeitet, den Abwehrkampf einzustellen und stattdessen eine akzeptierende Haltung einzunehmen. Das Ganze ähnelt einem Expositionstraing der Gefühle, doch geht es weniger um die Beseitigung psychischer Schmerzen, sondern um deren Transformation. Der akzeptierende Umgang mit der eigenen Angst wird dann mit einer Arbeit an den eigenen Werten verbunden. Denn wenn wir wieder in den Blick bekommen, was das Leben trotz bestehender Ängste für uns wertvoll macht, können wir allen Schwierigkeiten zum Trotz daran arbeiten, einen selbstgewählten Kurs einzuschlagen und beizubehalten. Ein auf persönlichen Werten basierendes Leben erhöht unsere Robustheit und Frustrationstoleranz.

Integrationsarbeit – oder das vielstimmige Selbst

Ohne eine bewusste Besinnung auf die eigenen Werte kommt es oft nur zu einer Notlösung, angefangen von einer Vermeidungshaltung, über Verleugnung und Verdrängung bis hin zur Spaltung. So passiert es aufgrund schwerer Belastungen häufig, dass unsere Psyche sich in zwei (oder gar mehrere) Teile aufspaltet, indem nicht die ganze Persönlichkeit, sondern nur einTeil davon den Herausforderungen des Alltags zugewandt bleibt, während verängstigte und traumatisierte Selbstanteile aufgrund der erlittenen Überforderungserfahrung systematisch abgespalten werden. Eine Notlösung ist diese Spaltung entlang einer Sollbruchstelle deshalb, weil die verdrängten traumafixierten Selbstanteile ohne eine kognitive Repräsentation nicht anschlußfähig an die bewußten Teile unseres Erlebens sind, sondern völlig unverändert durch Assoziationen aller Art immer wieder als unverbundene Selbstzustände nur reaktiviert werden. Schiebt sich ein solcher traumafixierter Selbstanteil plötzlich in den Erlebensvordergrund, kommt es nur nur noch zu Notfallmaßnahmen, die aufgrund der fehlenden Verbindung mit anderen besser integrierten Selbstanteilen oft extrem ausfallen: Nofallmaßnahmen eben. Abgesprengte Selbstanteile und verdrängte Werteorientierungen müssen also zunächst einmal dem bewussten Erleben durch eingehende Analyse dysfunktionaler Coping-Stile (Abwehrstrategien) und geduldige Integrationsarbeit zugänglich gemacht werden. Nur dann ist die Veränderung hin zu einem selbstbestimmten und damit auch erfüllterem Leben wieder möglich. Integrationsarbeit hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Denn nur, wenn man traniert, achtsam in sich hinein zu spüren, kommt man wieder in Kontakt mit dem eigenen Erleben, und erst dann kann man wirklich von „Selbst-Bewusstsein“ sprechen.

Achtsamkeit (emotionale Exposition mit Reaktionsverhinderung)

Achtsamkeit ist eigentlich ein Meditationsansatz aus dem Buddhismus, hat aber in der letzten Zeit immer mehr Einlass in psychotherapeutische Behandlungskonzepte gefunden. Mit einem achtsamen Gewahrsein ist gemeint, dass wir nicht nur unsere Gedanken und unsere Gefühle sind, sondern das umfassende Bewusstsein ,bzw. der Raum, in dem diese geistigen Aktivitäten stattfinden, wie es auch ACT-Ansatz betont. Durch Training ist es möglich, dass Achtsamkeit ein abrufbarer Seinsmodus wird, der uns in turbulenten Lebensumständen ein höheres Maß an Ruhe und Entspannung ermöglicht.

Die Spannweite der Seele umfasst mehr als die Blöcke des Denkens

Eine achtsame Haltung hilft aber nicht nur dabei, starre Vermeidungsstrategien zu flexibilisieren, sondern auch, vorschnelles Handeln abzubremsen. Dies gilt besonders für Menschen, die zu ausgeprägter Impulsivität (oder auch Hyperaktivität) neigen. Konnte zum Beispiel zu dem primären affektiven Erleben keine symbolische Repräsentation gebildet werden, können emotionale Zustände kaum verstanden und reflektiert werden. Vielmehr werden sie beispielsweise sogleich in Form von Wutanfällen ausagiert. Emotionale Zustände müssen daher oft erst einmal als inneres Erleben identifiziert und benannt werden, sonst wird unser Handeln zwar von der Wut gesteuert, doch besteht kein Ermessensspielraum ,wie wir denn schließlich mit der deutlich gespürten Wut umgehen wollen (nicht die Wut raushauen, sondern kanalisieren). Mehr davon weiter unten unter dem Stichwort Mentalisierung.

Affektregulation

Wenn wir innerlich nicht zur Ruhe kommen, versuchen wir reflexartig, analog zu der Reaktion auf äußere Gefahren, die quälende Empfindung einfach nur weg haben zu wollen, ihr also wie einer äußeren Bedrohung zu entkommen. Doch inneren Bedrohungen kann man mit so einem instinktiven Fluchtverhalten nicht beikommen. Ganz im Gegenteil besteht die ganze Kunst nunmehr darin, innezuhalten und unsere gesamte fokussierte Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer gezielt und ohne jegliche Bewertung bzw. Veränderungsabsicht auf das innere Geschehen zu richten. Damit entfällt der nicht unbeträchtliche Verdrängungsaufwand, was sich augenblicklich als spürbare körperliche Erleichterung kund tut. Jede negative affektiv-mentale Aktivität (Traurigkeit, Unruhe, Angst, süchtiges Verlangen usw.) lässt sich als Spannungsherd im Körper bewusst fokussieren. Und diese Energie kann man in seiner Anballung „einfach nur“ achtsam betrachten, ohne sie reflexhaft verändern oder „abschütteln“ zu wollen, ungefähr so, wie die unten dargestellte Figur die vor ihr in Brusthöhe auf einer Schale liegende rote Kugel aufmerksam in den Blick nimmt.

Achtsamkeit

Ressourcenaktivierung

Außer einer verbesserten Affektregulation im Hier und Jetzt geht es in in der Verhaltenstherapie aber auch ganz wesentlich darum, bereits vorhandene Fähigkeiten zu nutzen bzw. zu reaktivieren. Viele Menschen sind wegen ihrer Probleme fast nur noch auf ihre Defizite fokussiert und vergessen dabei häufig, dass sie bereits über gut entwickelte Problemlösestrategien verfügen, ohne sie indes angemessen zu nutzen. Das Auffinden und Beleben brachliegender Fähigkeiten und Kompetenzen nennt man Ressourcenaktivierung, die es gleichfalls in ihrer Entstehungsgeschichte zu analysieren gilt (Salutogenese genannt). Dieser Schritt ist wichtig, denn reaktivierte Bewältigungskompetenzen bilden ein wichtiges positives Gegengewicht für unser Selbstvertrauen, wenn es darum geht, vorhandene Defizite in den Blick zu nehmen und aufzuarbeiten.

Biografiearbeit

Ebenfalls affektreguierend wirkt die Biografiearbeit

Black Box oder: weggepackte Lebenswelten

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte bzw. dem eigenen Geworden-Sein ist unterschiedlich schwierig und komplex, da das filigrane Gewebe unserer Erinnerungen häufig (aufgrund belastender Vorkommnisse) durch Dissoziationen löchrig und zerrissen ist. Entsprechend bedeutet Konsistenzsicherung auch Aufbau kohärenter Verstehenszusammenhänge durch deutende und rekonstruierende Neuvernetzung dissoziativer Erinnerungsspuren und abgesprengter Affekte. Denn wie aus der Resillienzienzforschung (was verhilft einem Menschen dazu, trotz stark belastender Erlebnisse psychisch gesund zu bleiben) hinlänglich bekannt ist, trägt die kontextuelle Einbettung krisenhafter Erfahrungen in den lebensgeschichtlichen Gesamtzusammenhang ganz wesentlich zur Gesundung psychogen erkrankter Menschen bei. (Unsere Psyche versucht stets, das zunächst Unfaßbare [Leid] in handhabbaren Bildern zu organisieren – Dinge, die wir verstanden haben, fesseln unsere Aufmerksamkeit nicht mehr so sehr, so dass wir uns wieder mit ganzer Kraft auf das Leben einlassen können, doch geht es manchmal einfach nicht ohne Hilfe)

Von zentraler Bedeutung sind natürlich fast immer auch die Beziehungserfahrungen mit den Elternfiguren (es müssen nicht nur die leiblichen Eltern sein). Die Erinnerung an die Eltern spielt in allen Therapieformen deshalb eine so große Rolle, weil wir erst im Zusammenleben mit den Eltern zu dem haben werden können, was wir heute sind. Auch in der Therapie formt und prägt sich unser Selbstbild immer genauer aus, je mehr wir uns auf eine innere Auseinandersetzung mit den Elternbildern einlassen, uns Vater und Mutter gegenüber positionieren, um zu uns selber finden zu können.

Mentalisierungstraining

Neben Techniken zur Achtsamkeit und Entspannung (die bei der bewußten Regulation hochschießender und negativer Affekte sehr hilfreich sind) kommt auch der Schulung unserer Empathiefähigkeit große Bedeutung zu. Denn nur wenn man erahnt, was im Gegenüber vorgeht, kann man angemessen auf ihn reagieren resp., wir gehen auch ganz anders mit uns selber um, wenn wir nicht nur auf das Verhalten unseres Gegenübers reagieren, sondern auch dessen Motivation im Blick haben.

Theory of mind – Die Befähigung, Hypothesen über Bewußtseinsvorgänge in anderen Menschen zu bilden

Unterschiede müssen einander nicht ausschließen

Ein Training der Mentalisierungsfähigkeit vereint schließlich den Achtsamkeits- und Empathieansatz. So versteht man unter einer mentalisierenden Haltung die Fähigkeit, kontinuierlich zu überlegen, welche inneren Zustände bei sich selber wie auch beim Gegenüber das aktuelle Geschehen erklären könnten. Ebenfalls wird bei einem Training der Mentalisierungsfähigkeit daran gerarbeitet, das eigene Denken nicht automatisch mit der faktischen Realität gleichzusetzen, resp. Unterschiede und Perspektivenvielfalt zu akzeptieren. Dabei können unterschiedliche Standpunkte nicht mehr nur im „Entweder-Oder-Modus“ (entweder ich habe recht oder Du), sondern, bzw. immer mehr im „Sowohl-als-auch-Modus“ (ich sehe es so, aber Du offenbar ganz anders, und das darf auch sein) wahrgenommen und akzeptiert werden.

Expositionsarbeit

Zur Gewohnheit werden Bewältigungskompetenzen aber auch maßgeblich durch die menschliche Begegnung während der Sitzungen, indem in einer wertschätzenden Atmosphäre immer wieder dysfunktionale und automatisch ablaufende Denk- resp. Verhaltensmuster im Interaktionsgeschehen ganz gezielt prozessual aktiviert und bewußt „ausgehalten“ werden (Im Fachjargon spricht man auch von Exposition oder Kontingenzmanagment) . Bis dato bestehende dysfunktionale Automatismen und Inkongruenzen (jemand spricht beispielsweise mit teilnahmloser Stimme über sehr belastende Vorkommnisse oder reagiert sehr erregt, ohne es selber zu spüren) können so durch ein selbstachtsames Gewahrsein allmählich einer bewussten Kontrolle zugeführt und dadurch auch reguliert werden.

Psychoedukation

Die Etablierung gesunder Gewohnheiten erfolgt allerdings auch gar nicht selten über einen reinen Transfer von Wissen, wobei dem Patienten die Mündigkeit zugesprochen wird, sich seinen Wissens- und Erfahrungsdefiziten offen zu stellen (Hilfe zur Selbsthilfe). Dieser auf sachliche Wissensvermittlung abzielende psychoedukative Ansatz, gilt nun ganz explizit für das verhaltenstherapeutische Vorgehen.

So ist es zum Beispiel bei Panikattacken und Arousalzustäden (sogenannte Affektstürme) hilfreich, wenn man tatsächlich versteht, was da gerade auf der physiologischen Ebene abläuft. Da alles, was wir verstehen, berechenbarer wird und damit entängstigend wirkt.

Klärung und Bewältigung

Ohne das die bisherigen Ausführungen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, lässt sich zum Abschluss zusammenfassend sagen, dass die Verhaltenstherapie in ihren Erklärungsansätzen sowohl lerntheoretisch wie kognitiv ausgerichtet ist, was für die angewandte therapeutische Praxis ebenfalls ein duales Miteinander von klärungs- und bewältigungsorientiertem Vorgehen zur Folge hat.